Auch die internationale Politik hatte doch frühzeitig Kenntnis vom Inhalt der
Volksabstimmung in der Schweiz - und hätte demnach eigene Analysen über
möglicherweise negative Auswirkungen der Volksabstimmung gegenüber der
Politik in Schweiz zunächst schriftlich vorbringen können.
Ich kann mir vorstellen, dass die Politik in der Schweiz die Umsetzung dieser
Volksabstimmung in Etappen angeht. Also, die schwierigeren Fragen bzw.
Ergebnisse nach hinten verschiebt, um die Auswirkungen einfacherer Fragen
bzw. Ergebnisse absehen zu können.
Natürlich müssen auch Initiatoren von Volksabstimmungen in gewisser Weise
die Verantwortung für ihre Volksabstimmung tragen!
Was unter Umständen auch bedeuten könnte, dass die schweizerische
Volkspartei (SVP) als Hauptinitiator auf Schadenersatz verklagt werden könnte.
Ich glaube daher, dass die SVP so schlau ist und für mehr Zeit bei der
Umsetzung sein wird.
Mit herzlichen Grüßen, besonders an die Eidgenossen in der Schweiz und ihre
MitbürgerInnen mit ausländischen Wurzeln, Thomas Karnasch
Streit um Einwanderung
Was kann Europa gegen die Schweizer Abstimmung tun?
10.02.2014
·
Die Schweiz will den Zuzug von EU-Bürgern
begrenzen. Viele Politiker fordern jetzt, die Zusammenarbeit auch in
anderen Fragen zu kündigen. Was kann die EU wirklich tun? Sechs
Antworten.
Von
Hendrik Kafsack und Werner Mussler
© dpa
Damals war das Verhältnis noch besser: Fähnchen der EU und der Schweiz im Nationalratssaal in Bern, aufgenommen im Mai 2000.
Welche juristischen Folgen hat das Votum der Schweizer, die Zuwanderung zu beschränken, für die Beziehungen zur EU?
Die Kontingentierung der Zuwanderung
verstößt gegen das Freizügigkeitsabkommen, das die Schweiz – verknüpft
mit sechs weiteren Verträgen – mit der EU geschlossen hat. Wenn die
Schweizer Regierung das Ergebnis der Volksabstimmung umsetzt, muss sie
dieses Freizügigkeitsabkommen kündigen. Das wiederum führt automatisch
auch zur Kündigung der anderen Verträge. So sieht es eine
„Guillotine-Klausel“ im Vertragswerk vor.
Was ist in den sieben Verträgen neben der Freizügigkeit geregelt?
Jeder der Verträge weitet Regeln des
EU-Binnenmarkts auf die Schweiz aus. Nötig ist das, weil die Schweiz
sich im Gegensatz zu Norwegen oder Island gegen eine Mitgliedschaft im
Europäischen Wirtschaftsraum ausgesprochen hat. Im einzelnen geht es um
die gegenseitige Anerkennung von Industriestandards, den Zugang
Schweizer Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen und zu
Forschungsprogrammen in der Europäischen Union, die zumindest partielle
Öffnung des Schweizer Agrarmarkts, den Zugang von Schweizer
Fluggesellschaften zum EU-Luftverkehrsmarkt und die gegenseitige Öffnung
des Straßen- und Schienennetzes.
Heißt das, dass die Deutschen
dann keine Schweizer Schokolade, Käse oder andere Produkte mehr kaufen
können – oder nur noch zu hohen Preisen?
Nein. Es gilt unabhängig vom aktuellen
Streit ein altes Freihandelsabkommen aus dem Jahr 1972. Schwerer könnte
die Einfuhr von Produkten in die EU für die Schweizer aber werden. Denn
die bilateralen Verträge gehen über das Handelsabkommen hinaus. Sie
beseitigen nicht zuletzt nichttarifäre Handelshemmnisse wie Standards
und Regeln. Zudem öffnen sie die EU explizit voll für Handel mit Käse.
Das mag etwa in Frankreich, das den Käse aus der Schweiz als Konkurrenz
für seine Produkte sieht, den Wunsch nach neuen Handelshürden wecken.
Kann die EU sich direkt für das Votum „revanchieren“?
Nein. Der Ball liegt jetzt zunächst im
Schweizer Feld. Die Regierung in Bern hat drei Jahre Zeit, um dem Votum
der Bürger Rechnung zu tragen. Bevor nicht klar ist, wie sie das tun
will, kann die EU-Kommission nichts tun. Eine einseitige Kündigung der
Verträge mit der Schweiz gilt als ausgeschlossen.
Aber etliche Europaabgeordnete fordern doch die Kündigung der bilateralen Verträge?
Das ist nicht unbedingt gut für die EU.
Die Befürworter der Initiative in der Schweiz argumentieren, die
Europäische Union könne sich eine Kündigung gar nicht leisten - zum
Beispiel, weil sie auf die Nutzung der Schweizer Verkehrswege angewiesen
sei. Auch unabhängig davon muss sich die EU überlegen, inwieweit ihr an
einer schweren Belastung der Beziehungen gelegen sein kann, nicht
zuletzt weil sie mit der Schweiz auch im Kampf gegen die
Steuerhinterziehung zusammenarbeiten muss.
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Kann die EU nicht ihrerseits nur einen der sieben Verträge kündigen, um Druck zu machen?
Nein. Die Guillotine-Klausel gilt für
beide Seiten. Entweder sie kündigt alle Verträge oder keinen. Sie kann
allerdings den Abschluss neuer Verträge mit der Schweiz auf Eis legen.
So verhandeln beide Seiten momentan über eine engere Verknüpfung ihrer
Strommärkte, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Aber auch in
diesem Zusammenhang ist es nicht immer im Interesse der EU, auf die
Bremse zu treten.