"Und plötzlich schlugen sie zu!"
Gerrit Wustmann
15.05.2013
Rassistisch motivierte Polizeigewalt wird zunehmend zum Problem in Deutschland. Anklagen gegen Polizisten führen selten zum Erfolg
Erst kürzlich wieder ermittelte eine Studie der
Universität Leipzig, wie erschreckend hoch ausländerfeindliche
Einstellungen in der deutschen Bevölkerung sind (Ausländerfeindlichkeit ist bei Deutschen weit verbreitet), das Innenministerium sieht einen besorgniserregenden Anstieg rechtsextremer Gewalttaten,
und der NSU-Prozess verdeutlicht das Versagen deutscher Behörden und
Geheimdienste in Bezug auf Rechtsradikalismus. Dass rechte bzw.
ausländerfeindliche Haltungen aber auch bei der deutschen Polizei
verbreitet sind, steht kaum im Fokus, dabei häufen sich die Fälle von
Rassismus und offenbar rassistisch motivierter Gewalt durch
Polizeibeamte. Zu Verurteilungen kommt es nur selten, in der Regel
werden Anklagen schnell fallengelassen, auch Amnesty International sieht
hier Handlungsbedarf, und die Anti-Folter-Kommission der UNO rügt
Deutschland dafür, dass wichtige Maßnahmen nicht umgesetzt werden.
Frankfurt, Station Bornheim-Mitte, Oktober 2012. Derege
Wevelsiep, afrikanische Abstammung, deutscher Pass, ist mit seiner
Familie auf dem Heimweg. Wenig später wird er von Polizisten brutal
verprügelt, er muss für mehrere Tage ins Krankenhaus und wird sogar dort
noch von Beamten bedroht. Wie kam es dazu? Das ist die Frage, die sich
viele Opfer derartiger Fälle stellen. Offensichtlich ist, das geht aus
der Berichterstattung
der Frankfurter Rundschau hervor , dass die Prügelattacke keinerlei
Grundlage hatte außer den rassistischen Ansichten der beteiligten
Beamten.
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Die Refugee Bus Tour will bundesweit auf die Situation
von Flüchtlingen in Deutschland aufmerksam machen. Am 10. März
verteilten Aktivisten, großteils Studenten, Flyer an Einwohner eines
Asylbewerberheims in Köln-Ehrenfeld, um sie über eine geplante
Demonstration am Kölner Hauptbahnhof zu informieren.
Eine Journalistin filmte das Geschehen und lud es auf die
Videoplattform Vimeo, doch dort sind die Aufnahmen inzwischen nicht mehr
verfügbar. Zu sehen ist auf ihnen, wie zahllose Polizisten rabiat gegen
die Aktivisten vorgehen, sie mit Pfefferspray und Schlagstöcken
attackieren, ohne dass es dafür ersichtliche Gründe gäbe. Als eine
Aktivistin offenbar verletzt am Boden liegt, nachdem sie mehrfach
geschlagen wurde, baut sich ein Beamter über ihr auf und sagt
abschätzig: "Little black man!"
Ein dunkelhäutiger Demonstrant wird von einer Gruppe
Polizisten regelrecht überfallen, während sie auf ihn einschlagen
versuchen andere, die Kamera abzudrängen, bis aus dem Off jemand ruft:
"Merkt ihr denn nicht, dass der gar nicht mehr bei Bewusstsein ist?"
Erst jetzt ruft einer der Polizisten, der sich mit seinen Kollegen müht,
den leblosen Körper aus dem Sichtfeld der Kamera zu schleifen, nach
einem Arzt, doch es klingt reichlich halbherzig.
So kenne er die Kölner Polizisten nicht, wird
Bezirksbürgermeister Josef Wirges vom ZEIT-Blog zitiert. Diese Aussage
muss verwundern, wenn man die Häufung der Fälle betrachtet, die hier
ausschnittsweise widergegeben werden sollen. Eins jedenfalls wird dabei
klar: Es handelt sich keineswegs um Einzelfälle. Das dokumentiert ein
weiteres, noch verfügbares Video,
das ein Spiegel-Mitarbeiter mit seinem Handy filmte. Eine
offensichtlich verzweifelte Frau wird, panisch um Hilfe rufend, von
mehreren Polizisten aus einem ICE entführt, es geht um eine
Pass-Angelegenheit. Ein weiterer Polizist behindert den Journalisten
aktiv. Hintergrund: Die Bahn wollte den russischen Pass der jungen Frau
nicht akzeptieren, beharrte auf einem deutschen. Sie konnte sich
ausweisen, gab sogar ihre Wohnadresse an. Die rabiate Behandlung konnte
sie damit nicht verhindern.
Grundloser Gewaltausbruch
Noch ein Fall ereignete sich am 16. März 2013 auf den
Kölner Ringen vor einer Disco. Dort wurde ein junger Mann mit
ausländischem Aussehen von Polizisten verprügelt und von einem
Polizeihund gebissen. "Plötzlich schlugen sie zu", erinnert sich die
Studentin Selin Ö., die den Vorfall fassungslos beobachtete. Gemeinsam
mit sechs weiteren Zeugen der Tat hat sie inzwischen Anzeige erstattet,
auch das Opfer, das im Krankenhaus behandelt werden musste, hat einen
Anwalt eingeschaltet.
Zeugin Ö. sagt, sie hätte keinen ersichtlichen Grund für
den Gewaltausbruch beobachten können, im Gegenteil. Das Opfer habe wohl
lediglich einen Streit schlichten, zwischen den Polizisten und
Discobesuchern sowie einem Türsteher vermitteln wollen. "Der Mann war
weder aggressiv noch offensiv", beschrieb Ö. auf Facebook die Ereignisse, was eine Welle der Solidarität in dem sozialen Netzwerk auslöste. Und weiter:
Plötzlich, ohne dass der Mann jegliche,
angreifende Bewegung gemacht hat, schlug der Beamte auf ihn ein,
prügelte ihn zu Boden, jetzt kommen die anderen Beamten mit ins Spiel.
Während der sich nicht wehrende Mann sich fesseln ließ, wurde er auf dem
Boden von anderen Beamten weiter getreten. Seine Hose war gerissen, er
lag immer noch sich nicht wehrend am Boden, aber da das scheinbar nicht
ausreichend war, ging der Hund auf ihn los und biss ihm ins Handgelenk.
Wir und alle anderen schockierten Partygänger auf der Straße haben
spätestens jetzt die Polizei angeschrien, sie sollen endlich aufhören
Doch sie hörten nicht auf. "Blutend" und "mit
zerfetzter Kleidung" sei das Opfer dann im Krankenwagen versorgt worden.
Ö. schrieb einen Brief an den Kölner Polizeipräsidenten Albers mit der
Bitte um Stellungnahme. Man könne zum laufenden Verfahren nichts sagen,
kam als Antwort zurück. Auch der Anwalt des Opfers, Martin Bücher von
der Kölner Kanzlei Dr. Birkenstock, gibt sich zum jetzigen Zeitpunkt
zurückhaltend. "Es kann Monate dauern, bis alle Zeugen verhört wurden
und wir Akteneinsicht erhalten", sagt er.
Bei Selin Ö. meldeten sich zwischenzeitlich weitere
Opfer vergleichbarer Vorfälle, darunter auch die dunkelhäutige Studentin
Fatou A. (Name geändert). Sie war im Herbst 2012 in Köln mit dem
Fahrrad unterwegs, als sie von einem Polizeihund offenbar grundlos
angegriffen wurde. Sie erstattete Anzeige gegen den Polizisten. Im April
2013 wurde die Anklage von der Staatsanwaltschaft Köln abgewiesen,
obwohl das Opfer nicht einmal angehört worden war. Ein weiterer Polizist
machte eine entlastende Aussage zugunsten seines Kollegen, damit war
der Fall für die Behörden erledigt.
Damit allerdings fand sich A.s Anwalt Abdou Gabbar nicht
hab und erhob einen Widerspruch. Erst dieser Schritt führte zu einer
Vernehmung des Opfers, die laut Gabbar nicht erfreulich ablief. "Fragen
wurden suggestiv gestellt, meine Mandantin wurde unter Druck gesetzt.
Man versuchte, sie unglaubwürdig zu machen. Schlussendlich führte diese
Vernehmung aber dazu, dass weitere Ermittlungen aufgenommen wurden und
ich Akteneinsicht erhielt", berichtet er. Inzwischen habe er sich mit
anderen Anwälten beraten, die mit ähnlichen Fällen befasst sind,
darunter auch Martin Bücher. Der Polizist, dessen Hund Fatou A. anfiel
und der, dessen Hund auf Büchers wehrlosen Mandanten gehetzt wurde,
waren offenbar schon mehrfach auffällig, immer im Zusammenhang mit ihren
Hunden. "Ich hatte zuvor einen dunkelhäutigen Mandanten, der einen
Konflikt mit seiner Lebensgefährtin hatte, die die Polizei rief",
berichtet Gabbar:
Mein Mandant flüchtete, und obwohl seine
Lebensgefährtin versuchte, die Situation zu entschärfen, machte die
Polizei regelrecht Jagd auf ihn, bis er in einer Sackgasse festsaß.
Obwohl er keine Fluchtmöglichkeit hatte und einfach hätte festgenommen
werden können, wurden die Hunde losgelassen. Seine zahlreichen
Verletzungen sind dokumentiert.
"Und plötzlich schlugen sie zu!"
http://www.heise.de/tp/artikel/39/39079/1.html
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- Re: Polizisten haben es nicht nötig, sich in Deutschland an Gesetze zu halten (15.5.2013 19:31)
- Re: Polizisten haben es nicht nötig, sich in Deutschland an Gesetze zu halten (15.5.2013 19:23)
- Re: Fehlverhalten der Opfer (15.5.2013 19:06)