Montag, 22. Juli 2013

Auch Finanzminister Schäuble muss endlich zurücktreten! - „Nichts ist durch Draghis Maßnahmen besser geworden“


„Nichts ist durch Draghis Maßnahmen besser geworden“

von Marcus Preu
Warum die Politik des billigen Geldes keines der Probleme im Euro-Raum geklärt hat und warum er sich weiterhin Sorgen um den Euro macht, erläutert der Ökonom und Buchautor Matthias Weik im biallo.de-Interview.
Fünf Fragen an: Matthias Weik (Buchautor) „Nichts ist durch Draghis Maßnahmen besser geworden“
Matthias Weik, Finanzstrategieberater
Biallo.de: Helmut Schmidt sagte letzten Monat in Frankfurt „Der Euro muss nicht gerettet werden“. Können Sie da widersprechen, immerhin hat das Wort des Altkanzlers und anerkannten Ökonomen beträchtliches Gewicht?

Matthias Weik: Ohne Zweifel ist Helmut Schmidt ein weiser Mann, doch in diesem Punkt muss ich ihm deutlich widersprechen. Erstens wird der Euro bereits seit einiger Zeit durch die Politik und die EZB gerettet - erst vor kurzem hat EZB-Direktor Asmussen in einem FAZ- Interview zugegeben, dass der Euro im Sommer 2012 vor dem chaotischen Zerfall durch enorme Interventionen der EZB gerettet wurde. Zweitens würde der Euro ohne die Stützungsmaßnahmen der Politik und der EZB schon längst nicht mehr existieren. Ferner stelle ich mir die Frage: Was ist der Euro für ein Geld, das man retten muss? Geld das man retten muss ist für mich kein Geld!

Biallo.de: Teilen Sie die Einschätzung, dass Mario Draghis Politik, auch die des billigen Geldes, die Euro-Zone deutlich stabilisiert hat?

Matthias Weik: Wenn ich mir die gesamtwirtschaftliche Situation anschaue, muss ich Ihnen ganz klar sagen: Nein! Seit Beginn der Krise wurde nur teuer Zeit erkauft und kein Problem nachhaltig gelöst. Zusammengefasst kann man nur den Protagonisten bestätigen, dass sie volkswirtschaftliche Schadensmaximierung betrieben haben - auf Kosten von uns allen. Die Krise entstand auf Grund des vielen billigen Geldes und Herr Draghi bekämpft die Krise mit noch mehr billigem Geld – dies wird niemals funktionieren. Wenn wir uns die volkswirtschaftlichen Daten der EU-Länder anschauen, müssen wir feststellen, dass ein Großteil bereits in einer gravierenden Rezession steckt und nichts, aber auch gar nichts durch Herrn Draghis Maßnahmen besser geworden ist.
 

„Wir alle werden schleichend enteignet“

Ganz im Gegenteil: Die Lage, vor allem in der Südperipherie, hat sich massiv verschlimmert und die Arbeitslosenzahlen sind in Rekordhöhen geschnellt wie zuletzt in der Weimarer Republik. Das einzige, was Herr Draghis Maßnahmen bewirkt haben ist, dass die Banken sich noch mehr mit billigem Geld vollgesogen haben und noch „systemrelevanter“ geworden sind. Herrn Draghis Maßnahmen sind ein Geschenk für die Banken auf Kosten der Bevölkerung, denn durch die gegenwärtige Niedrigzinsphase werden wir alle schleichend enteignet!

Biallo.de: Zuletzt gab es Turbulenzen in Portugal. Wo sehen Sie regional derzeit die größten Gefahren für den Euro? Haben sich die Gefahrenherde verschoben?

Matthias Weik: Es gibt nicht nur Turbulenzen in Portugal. In den Niederlanden ist die Immobilienblase geplatzt und der gesamte Süden Europas ist de facto bankrott und wird seine Schulden niemals bezahlen können – ein Schuldenschnitt von Ländern wie Griechenland, Portugal und Spanien ist nur eine Frage der Zeit. Auch wenn die Bundesregierung und vor allem Herr Schäuble dies nicht gerne hören und wahrhaben wollen: Aber der Schuldenschnitt ist unumgänglich und wird kommen! Die Brandherde wechseln sich ständig ab: Griechenland, Irland, Zypern, dann Portugal und jetzt wieder Griechenland...

Kaum ist ein Feuer gebannt, entfacht die Krise woanders wieder neu. Spannend wird es jetzt für den Euro, da mittlerweile die Wirtschaft in Italien und Frankreich in einer tiefen Rezession steckt. Kommt eines dieser beiden Länder in gravierende Probleme wird dies der Sargnagel für den Euro sein.
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Biallo.de: Die diesen Monat zur Bundestagswahl zugelassene Alternative für Deutschland (AfD) will das Euro-Währungsgebiet in einem mehrjährigen Übergangsprozess auflösen. Andererseits, so die AfD, wären ja bereits mit dem Ausscheiden der Südländer die größten Spannungen im Eurogebiet abgebaut. In dieser Logik bräuchte es ja keine Abschaffung des Euro mehr, oder?

Matthias Weik: Wenn die AfD das meint, ist das schön für sie. Ich sehe das etwas anders. Wir müssen viel tiefer gehen: Wir haben bei den Recherchen für unser Buch leider feststellen müssen, dass in der Vergangenheit alle ungedeckten Papiergeldsysteme und Währungsunionen immer gescheitert sind. Der Euro ist ein ungedecktes Papiergeldsystem, welches auf Zinseszins beruht und somit exponentiell wächst. Leider können wir auf unserer wunderschönen Welt nicht exponentiell wachsen, da unsere Rohstoffe begrenzt sind. Somit hat ein jedes ungedecktes Papiergeldsystem, das auf Zinseszins beruht, rein mathematisch eine begrenzte Lebensdauer. Der Euro wird scheitern und ist eigentlich schon gescheitert. Denn Geld, das man retten und stützen muss, ist kein Geld! Mit den oben genannten Maßnahmen würde die AfD lediglich die volkswirtschaftliche Schadensmaximierung verlängern, den Crash unseres Finanzsystems aber nicht aufhalten. Wir brauchen einen radikalen Kurswechsel.
 

„Griechen und Iren haben unsere Banken gerettet“

Biallo.de: Widersprechen Sie, wenn man Sie als unsolidarisch bezeichnen würde – unsolidarisch gegenüber den wirtschaftlich am schwächsten dastehenden Ländern der Euro-Zone?

Matthias Weik: Ich weiß nicht, wieso ich persönlich unsolidarisch gegenüber den am schwächsten dastehenden Ländern sein sollte. Wir sollten einmal genau betrachten, was in den letzten Jahren passiert ist: Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass nicht wir beispielsweise Griechenland und Irland gerettet haben, sondern die Griechen und Iren haben unsere Banken und Versicherungen gerettet. Die Rettungspakete für die Länder waren nichts anderes als versteckte Bankenrettungspakete. Wären wirklich die Milliarden in die Länder geflossen, würde es dort nicht so verheerend aussehen. Wenn wir uns die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland mit knapp 65 Prozent und in Spanien mit über 57 Prozent anschauen, sollten wir uns fragen, wie lange wir das gegenwärtige Spiel noch spielen wollen. Hier wird eine ganze Generation für ein jetzt schon gescheitertes Währungsexperiment verbrannt.

Wenn wir solidarisch sein möchten, sollten wir den Ländern erlauben, die Eurozone zu verlassen. Dann müssen wir ihnen ihre Schulden erlassen und um den Europäischen Gedanken aufrecht zu erhalten, müssen wir ihnen mit so etwas wie einem Marshall-Plan helfen, wieder auf die Beine zu kommen und eine nachhaltige und wertschöpfende Wirtschaft aufzubauen. Alles andere wird in einer Katastrophe enden.
Zur Person

Matthias Weik (37) ist Bachelor of International Business und betreibt in Stuttgart eine Finanzstrategieberatung. Zusammen mit Marc Friedrich hat er das Buch „Der größte Raubzug der Geschichte“ (Tectum Verlag, Marburg) geschrieben, das seit knapp einem Jahr in allen wichtigen deutschen Bestsellerlisten vertreten ist.